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Schwertmeister
Ich glaube was mich am meisten an der Entwicklung des Spiels stört, ist dass Larian (meiner Meinung nach) das Spiel nachträglich ziemlich kaputt gemacht hat, was Konsequenzen angeht. Während man im Early Access (und auch noch in den ersten Versionen der Vollversion) eine sehr schlechte, böse große Entscheidung in Akt 1 treffen musste, um einen sehr coolen Charakter zu rekrutieren, bei der mindestens 2, manchmal auch mehr, Partymitglieder die Party verlassen, auch wenn diese im Camp waren während die Quest absolviert wurde, und dabei manchmal auch den Spieler angegriffen haben und dadurch sterben konnten, gibt es mittlerweile nach etlichen Patches eine alternative gute Route diesen Charakter zu rekrutieren, auch wenn es absolut nicht zum Charakter passt. Ja, man konnte auch vorher nach dem Rekrutieren weiterhin gut spielen, aber dennoch hatte diese Quest und die getöteten Personen auch noch in Akt 3 Konsequenzen, Charaktere haben dich weiterhin darauf angesprochen und ihre Konsequenzen daraus gezogen. Und natürlich ist das passiert, weil zu viele sich beschwert haben, dass sie den Charakter haben wollen ohne die Quest böse zu spielen. Ja, optional kann man immer noch die böse Route gehen, um diesen Charakter zu rekrutieren, aber das Spiel hat sich damit beworben, dass man niemals alles sehen wird in einem Run und dass es so viele Arten gibt das Spiel zu spielen. Die eigene kreative Vision zu betrügen, weil ein paar Leute online sich aufregen, finde ich gerade in einem Rollenspiel, welches reaktiv auf die Aktionen des Spielenden eingehen will, doch echt schade. Das nimmt doch den Reiz total raus.
Dazu kommt, dass sie das weiter gemacht haben und Sachen so sogar 1:1 raus geschnitten haben aus dem Spiel. Während es früher Charaktere gab, die dich dafür kritisiert haben und eben auch die Party verlassen haben, wenn du dich mit gewissen Göttern zusammen schließt, machen dieselben Charaktere das mittlerweile nicht mehr, wenn du vorher nur eine Beziehung zu dem Charakter hast, die hoch genug ist. Vorher hat sie das gemacht ohne Rücksicht auf Verluste, weil das auch in Hinblick auf ihren Charakterarc Sinn macht, ihre Charakterentwicklung hat ihre Prinzipien vollkommen geändert und es wäre nur konsequent, wenn sie weiterhin so reagieren würde. Ne, das kam auch nachträglich mit einem Patch raus und das kann man jetzt nicht mal mehr optional einstellen oder irgendwie sehen. Stattdessen verhält sich der Charakter jetzt total out of character und das ist echt schade. Man kann dem Ganzen mit Mods natürlich Abhilfe verschaffen, aber das sind auch nicht die einzigen zwei Fälle. Es gibt eine ganze Hand an Content, der so nachträglich verändert wurde, dass deine Spielart nicht mehr dieselbe Tragweite an Konsequenzen mit sich bringt, wie vorher. Oder es gibt für viele Inhalte, die hinter rein "bösen" Durchläufen gelocked waren, jetzt optionale Wege an diese ran zu kommen. Ja, es gibt immer noch eine ganze Hand an bösen Enden, die man auch nur so sieht. Aber es verwässert für mich das Spielgefühl, welches sie meines Erachtens nach initial mal erreichen wollten. Vieles an der Geschichte gefällt mir natürlich trotzdem immer noch immens gut und ich liebe die Companions, aber es stimmt schon, dass man die sehr mögen muss, um das Spiel zu genießen. Der Spielercharakter ist ziemlich blass und auch wenn das gut fungiert als Sandbox, um seinen eigenen super anpassbaren Weg zu gehen, verliert der Spielercharakter dadurch in der Hauptstory leider an Impact. Es gibt nämlich natürlich einige Hauptstorymomente, die so oder so passieren müssen und da fallen mir andere Rollenspiele ein, bei denen der Hauptcharakter trotzdem noch genug charakterliches Writing hatte, sodass er sich wirklich wie ein Charakter in der Welt angefühlt hat, mir fällt da beispielsweise der Held aus Dragon Age: Origins für mich persönlich ein, aber auch der Hauptcharakter aus Disco Elysium. Die sind auch sehr anpassbar und können mehr oder weniger als self-inserts funktionieren, stehen aber auch im Mittelpunkt der Welt. Die Kombination aus Amnesie und "alles ist möglich" Sandbox ist da einfach so offen, dass der Hauptcharakter wenig bleibenden Eindruck hinterlässt, weil er natürlich so offen geschrieben ist, dass wirklich alles passieren kann, nichts davon aber so wirklich Eindruck hinterlässt. Wem dies wichtig ist, der sollte vielleicht am Ehesten noch den "The Dark Urge" Origin spielen statt eines komplett eigen erstellten Charakters. Dieselben Möglichkeiten an Anpassungen im Charaktereditor sind möglich, aber der Spielercharakter hat auch eine große, integrale Rolle in der Spielwelt und eine eigene Geschichte, bei der man sich nicht 99% einfach selber im Kopf denken muss. Das hinterlässt deutlich mehr Eindruck und erinnert auch wieder stärker an BG 1 und 2. Und generell, wer mehr aus BG 1 und 2 im Spiel sehen will, sollte diesen Origin spielen, es geht einem nicht wirklich viel verloren und wenn man nur einen Spieldurchlauf machen will, sollte man sich dafür entscheiden.
Aber ja, auch sonst sind viele der Konsequenzen einfach nur "Ja, du wirst jetzt aus dieser Quest ausgeschlossen.". Selbst wenn Partymitglieder die Party verlassen oder sich gegen dich stellen oder sterben, sind die Konsequenzen oft einfach "nur", dass du deren Storylines nicht spielen kannst. Was schon ein großes Ding ist, da die Charakterquests die interessantesten Quests des Spiels sind und stellenweise auch deutlich interessanter sind als die Hauptquest, vor allem da diese zusätzliche Informationen zur Hauptquest bringen oder sogar zusätzliche Optionen und dadurch oft integral mit der Hauptstory verwoben sind. Das ist natürlich einerseits großartig, weil die Party sich dadurch nicht willkürlich anfühlt. Auf der anderen Seite verpassen die Spieler, die tatsächlich Partymitglieder aus der Party ekeln oder absichtlich Quests nicht machen wollen, weil sie mit den Partymitgliedern nichts anfangen können, zumindest aus meiner Sicht, einen großen Teil der Geschichte, der die Hauptstory von "gut" auf "außerordentlich gut" aufwertet. Man kann die Geschichte trotzdem genießen, aber es fehlt einfach irgendwie etwas. Und ja, so richtig an Fahrt nimmt die gesamte Geschichte erst im letzten Akt aus, was ich auch sehr schade finde. Ich kann es verstehen, dass sie in Akt 1 viel Einführung und auch einige Nebengeschichten aufmachen wollten, die Themen aus D&D mit reinbringen, die sonst nicht so viel Platz im Spiel haben. Aber gerade Akt 2 fühlt sich fast schon wie eine eigene Hauptgeschichte eines anderen Spiels an. Sehr sehr gut inszeniert und es ist definitiv mein absoluter Lieblingsteil des Spiels und hat so viel gut Kämpfe und Schauplätze und einfach coole Momente, aber die anderen zwei großen Antagonisten und der ganze 3. Akt fühlen sich irgendwie dran gehängt an. Oder Akt 2 fühlt sich mit seinem Antagonisten und der Geschichte an Akt 3 geklebt an. Ich kann es nicht wirklich beschreiben und in Akt 3 passiert noch richtig viel und viele Sachen, die in Akt 1 und 2 angefangen wurden, finden hier erst ihr richtiges Ende. Aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass es sich alles nicht so ganz verbunden anfühlt. Man hätte Akt 2 nehmen und die paar Antworten in Akt 3, nehmen können und das hätte ein eigenes Spiel, eine eigenen Geschichte sein können und Akt 1 und viel an Rahmenhandlung und Akt 3 hätte ein anderes Spiel sein können. Vielleicht soll das die Abenteuer Struktur einer D&D Kampagne emulieren, wo man oft Abenteuer hat, die vorbei sind und auch abgeschlossen für sich stehen können, aber Abenteuer danach können Referenz auf das vorige Abenteuer nehmen und diese auch in einen neuen Kontext setzen, eben dass der Antagonist aus dem ersten Abenteuer, nur ein Mittel zum Zweck für den nächsten großen big bad war. Das kommt hier aber trotzdem nicht so ganz gut rüber, weil es zum Schluss von Akt 2 auch irgendwie keine richtige Pause gibt, es gibt irgendwie kein Verschnaufen, kein Moment alá "Ja, das haben wir jetzt geschafft!", sondern man wird direkt zum nächsten Stopp geschickt. Das macht durch die high stakes der Rahmenhandlung definitiv Sinn. Wahrscheinlich passt eine Abenteuerstruktur einfach in ein TTRPG so gut, weil man eh gezwungen ist irgendwann eine Pause einzulegen und man dann noch Tage bis Wochen nicht die Möglichkeit hat weiter zu spielen.
Insgesamt liebe ich das Spiel sehr, aber es hat definitiv seine Ecken & Kanten. Für mich ist es trotzdem so wie es ist gut, ich habe Pläne für einige Runs und will das Spiel immer noch mehr erleben. Allerdings muss man sich auch bewusst sein, dass man hier eine Sandbox hat, in der man sich selbst sein Abenteuer kuriert. Man hat hier keine guided expierence und das führt leider auch dazu, dass sich die Haupthandlung schnell verlieren kann und ohne richtige Richtung und roten Faden anfühlt. Gegen gerichtete Erfahrungen in Rollenspielen wie eben beispielsweise The Witcher ist das hier nicht wirklich zu vergleichen und wenn man lieber so eine Geschichte erleben will, dann sollte man vielleicht wo anders suchen. Außer man kann deutlich mit den Partymitgliedern sympathisieren und will diese Charaktere erleben, denn Baldurs Gate 3 ist definitiv eine charakterorientierte Erfahrung.
Geändert von poetBLUE (05.05.2025 um 21:39 Uhr)
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